09. Januar 2017
Das Märchen vom ausgerenkten Wirbel
oder
Wie erkenne ich eine Blockade?
Oft höre ich die Aussage „Der hat `nen Wirbel draußen“
Gerne bezieht sich das dann auf einen Hals- oder Lendenwirbel. Oder auch
schon seit längerem in Mode...das ISG (Iliosakral- oder Kreuzdarmbeingelenk)
Da frage ich mich immer:
1. Wo ist der hin, wenn er „draußen“ ist?
und
2. Was soll ich als Therapeut dann machen, wenn ein Wirbel „draußen“ ist?
Denn wenn ein Wirbel „draußen“, ist muss er ja seinen angestammten Platz
verlassen haben und das endet meistens tödlich oder führt zumindest zu einer
Querschnittslähmung, da durch den Wirbelkanal das lebenswichtige
Rückenmark verläuft und dieses dann geschädigt wäre.
Als Therapeut kann ich dann leider nichts mehr
machen und selbst ein Tierarzt kann das arme
Tier dann wahrscheinlich auch nur noch erlösen.
Die meisten Besitzer meinen also, wenn sie behaupten, da ist ein Wirbel
„draußen“ (finde das Wort immer noch toll), eine Wirbelfehlstellung oder
Blockade.
Osteopathen nennen das eine Läsion.
Dabei kommt es zu einer Verschiebung in den Facettengelenken und der
Bewegungsspielraum des Wirbels ist in mindestens einer Richtung
eingeschränkt.
Wenn so eine Wirbelblockade auftritt, verliert euer Pferd / euer Hund
die Flexibilität der Wirbelsäule.
Folgen daraus sind dann Steifigkeit, Muskelverspannungen, Probleme in
Stellung und Biegung. Später dann auch große Schmerzen und Lahmheit.
Jeder, der schon einmal eine Wirbelblockade hatte (bei uns Menschen gerne im
Nacken oder hinter den Schulterblättern), weiß, wie schmerzhaft das ist und wie
eingeschränkt unsere Bewegungsmöglichkeit dann ist.
Eine Blockade eines oder mehrerer Halswirbel verursacht bei uns Menschen oft
Schwindel und/oder Kopfschmerzen.
Warum sollte das bei unserem Hund oder Pferd anders sein?
Nur weil sich noch keiner über Migräne beklagt hat???
Durch die Verschiebung der Facettengelenke kann es auch zu Schädigungen
der Nerven, die zwischen den Wirbeln austreten, kommen.
Dadurch, daß diese Nerven unsere inneren Organe versorgen, kann es
außerdem zu Störungen in den einzelnen Organen kommen, da die
Weiterleitung vom Gehirn über das Rückenmark und die Nerven nicht
mehr richtig funktioniert.
Je nachdem, welche Nervenstränge betroffen sind, kann zum Beispiel,bei einer
Läsion in der Lendenwirbelsäule, der Magen oder Darm in seiner Funktion
eingeschränkt sein.
Dann kommt es durch eine Blockade zu Durchfall oder Kolik.
Das Ganze funktioniert natürlich auch andersherum. Da die Nerven sowohl
efferente (hinausführende) als auch afferente (hineinführende) Fasern haben,
kann ein Problem im Magenbereich auch eine Blockade der Lendenwirbelsäule
verursachen.
Aber wodurch entsteht jetzt eigentlich so eine Blockade?
Dafür kann es mehrere Ursachen geben.
Entweder durch eine plötzliche unphysiologische Bewegung, dabei wird der
Wirbel durch ein Trauma (z.B. Tritt, Sturz, Wegrutschen etc.) verschoben oder
durch eine länger andauernde Kompensation (z.B. durch unpassende
Ausrüstung, Fehlbelastungen, falsche Hufbearbeitung, Zahnschmerzen etc.)
In beiden Fällen spielt die umgebene Muskulatur eine große Rolle.
Im Falle, das ein Pferd plötzlich wegrutscht, ist der Körper eigentlich mit einem
„Schutzreflex“ ausgestattet, der eine größere Verletzung durch Fallen und eine
Fehlstellung der Wirbel verhindern soll.
Manchmal reagiert er aber leider zu langsam und kann eine Läsion nicht mehr
verhindern.
Dann ist der Wirbel blockiert.
Damit aber noch nicht genug. Weil eine Wirbelsäule mit dem innen liegenden
Rückenmark überlebenswichtig ist, setzt sich jetzt der nächste Schutzreflex in
Gang, genannt „reflektorisch muskulärer Hartspann“.
Dieser möchte dafür sorgen, daß der Wirbel stabilisiert wird und nicht gänzlich
seinen Platz verlässt weil dadurch das Rückenmark geschädigt werden könnte.
Wie z.B. bei einem Autounfall mit Schleudertrauma.
Die Gelenke der Halswirbelsäule werden durch den Ruck unphysiologisch
bewegt, daraufhin werden sich die Nackenmuskeln reflektorisch anspannen um
einen größeren Schaden zu verhindern und die Halswirbelsäule zu stabilisieren.
Weit häufiger kommt es aber zu Läsionen durch eine dauerhafte Fehlbelastung.
Durch diese Fehlbelastungen verspannt und verkürzt sich die Muskulatur (auch
die tiefen, kleinen Muskeln direkt an den Wirbeln) und kann dadurch unsere
Wirbel in eine Dysbalance bringen. Dies bleibt oft lange unbemerkt, da unsere
Pferde Meister im Kompensieren sind.
Falls, zum Beispiel durch eine Blockade des Genicks, eine korrekte Stellung und
Biegung nicht mehr möglich ist, wird sich das Pferd leicht verwerfen um
trotzdem die gewünschte Biegung ausführen zu können. Dies werden wir in den
meisten Fällen noch nicht einmal bemerken.
Durch diese Fehlstellung und Fehlbelastung
werden dann die weitere Wirbelsäule und die
Gliedmaße falsch belastet. Wenn es lange
nicht bemerkt wird, kommt es dann eventuell
sogar zu einer Lahmheit der Hintergliedmaßen
oder einem Beckenschiefstand.
Tatsächlich muss ich ziemlich häufig, wenn ich zu einer immer wiederkehrenden
Lahmheit gerufen werde, eine Blockade in der Halswirbelsäule lösen, damit das
Pferd wieder lahmfrei laufen kann.
Aus diesem Grund ist es besonders wichtig das das komplette Pferd
untersucht wird.
Eine Lahmheit hinten rechts hat nicht
unbedingt auch die Ursache hinten rechts!
Weitere Ursachen für eine Läsion können sein:
- psychischer Stress
- Narben
- Arthrosen
- Entzündungen
- Huffehlstellungen
- Zahnprobleme
- falsche Haltung
und viele mehr…
Und wie wird dann jetzt so eine Blockade gelöst ??
Es genügt nicht eine eingeschränkte Bewegungsrichtung zu korrigieren
(einrenken) sondern es muss immer das umliegende Gewebe (Muskulatur)
mitbehandelt werden.
Da wir ja jetzt wissen das die Muskeln eine große Rolle bei einer Blockade
spielen müsste das jetzt für alle logisch sein,oder??
Ein guter Therapeut findet eine Blockade durch vorsichtiges Abtasten und
kann sie dann mit verschiedenen Techniken sanft, nur mit seinen Händen
lösen.
Bei einer Behandlung erkläre ich normalerweise was ich da gerade tue.
Falls ihr auch einmal bei eurem Pferd oder Hund den Eindruck habt, das er oder
sie nicht richtig rund läuft, dann tastet doch einmal vorsichtig den Bereich neben
der Wirbelsäule ab.
Falls ihr eine auffällige oder verhärtete Stelle in der Muskulatur findet, probiert
doch einfach mal diese durch sanfte Massagen zu lösen.
Falls euch eine Blockade früh genug auffällt, reicht ein rechtzeitiges Lösen der
Muskulatur oft schon aus, um eine Blockade zu beheben.
Meist fällt es aber leider erst auf, wenn schon größere Probleme da sind.
Dann ruft euch bitte einen ausgebildeten Therapeuten zu Hilfe.
Ich würde mich sehr über eine Rückmeldung von euch und euren Erfahrungen
mit Blockaden freuen. Was habt ihr da schon erlebt???
Bis bald und immer gesunde Tiere,
eure Stephie